"konnichi wa"
(guten Tag)
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Japanische Produkte sind bei uns längst
selbstverständlich.
Was im "Land der aufgehenden Sonne" in der
Motorrad-Szene
abgeht, ist dagegen kaum bekannt. Mit einer BMW F 650 GS
erkundete
ich im Sommer 2000 das Inselreich.
Text:
Winni Scheibe
Fotos: Scheibe, Schermer, Ando-san
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Das muss erst mal einer verstehen. Die brandneue BMW R 1100 S will nicht
mehr, die Batterie hat schlapp gemacht. Der Besitzer bringt den teuren
Boxer in die Werkstatt, entschuldigt sich vielmals dafür, dass er die
gute BMW kaputt gemacht hat und bittet den Firmenchef höflich sie
wieder zu reparieren.
Verkehrte Welt? Wohl kaum, in Japan ist zwar nicht
alles, aber einiges anders.
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Tolle Tour: Ando-san zeigt mir das japanische Hinterland
(Foto: Schermer)
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Eine BMW ist in Japan etwas ganz besonderes |
In ihrem Wesen sind Japaner höflich und harmoniebetont. Nein sagen,
sich beschweren oder diskutieren ist nicht ihre Welt. Am liebsten würde
sie immer mit "Ja" antworten, ganz wichtig für sie ist "ein
gutes Gefühl haben". Ist etwas schiefgelaufen, sind nicht die
Anderen schuld, man entschuldigt sich selber.
Erwartungen und Qualitätsansprüche an alle Produkte
sind allerdings sehr hoch. Steht "Made in Germany" drauf, sind
sie noch höher. Viele Japaner meinen sogar, alles, was aus Deutschland
kommt, sei erheblich besser als die eigenen Sachen. Über unser Land
wissen Japaner sehr viel, kennen bedeutende Schlösser, Burgen, Städte,
Dichter, Denker, Komponisten, Ingenieure und Firmen. Und dazu gehört
BMW, BMW verkörpert für sie nämlich ein Stück deutsche Tradition.
Dass ausgerechnet wir es sind, hat seinen Grund. Vor 1868 war es
Ausländern bei Todesstrafe verboten das Land zu betreten, erst danach
öffnete sich das Inselreich dem Westen. Im damaligen Deutschen
Kaiserreich fand die japanische Monarchie viele Parallelen. Man
übernahm kulturelle, wissenschaftliche und technische Errungenschaften
und als Verbündete im Zweiten Weltkrieg wurde der Kontakt weiter
ausgeprägt. Japaner verehren und respektieren Deutschland und das ist
bis auf den heutigen Tag so geblieben.
Mit einer BMW F 650 GS bin ich unterwegs, möchte
Land und Leute und die einheimische BMW-Szene kennenlernen. Begleitet
von meinem Journalistenkollegen Franz Josef Schermer, er ist für ein
Jahr als Berater bei BMW-Japan und Dr. Hans-Jörg Geduhn, Chef von BMW
Motorrad Japan, brauche ich mir um den richtigen Weg keine Gedanken zu
machen.
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...in Japan wird links gefahren ...
...und was steht da ....? |
Es wird links gefahren, Schilderlesen, Orientieren und Durchfragen wäre
für mich mit immensem Zeitaufwand verbunden. Als "Gaijin" (jap.
für Fremder) ist man verloren. Man fühlt sich wie ein I-Männchen am
ersten Schultag, lesen, schreiben, sprechen und verstehen: Fehlanzeige.
Zwar sollte man ein paar Worte wie "konnichi wa" (guten Tag),
"sayonara" (auf Wiedersehen), "hai" (ja), "iie"
(nein) und vielleicht noch "domo arigato" (vielen Dank)
können, weit bringt es einen aber nicht.
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Unser Ziel ist das
"National
BMW Motorcycle Fan Festival" im Yamaha-Freizeitresort Tsumagoi bei
Iwata, gut 250 km südlich von Tokio. Organisiert wird das Jahrestreffen
vom BMW Motorcycle Owners Club of Japan. Aus ganz Japan sind um die 400
BMW-Fans gekommen. "Für uns ist es eine wichtige Veranstaltung",
betont Dr. Geduhn. "Hier können wir während der Wochenendpartie
Kontakte mit Händlern und Kunden pflegen, bieten Sicherheitstraining
und Probefahrten mit neuen Modellen an."
Mir fällt auf, dass nur wenige Frauen selbst fahren. Von Akemi Osumi,
41, erfahre ich warum. "Auf Autobahnen gilt Soziusverbot und 80 km/h
Höchstgeschwindigkeit, Autos dürfen dagegen 100 km/h fahren",
erzählt die sympathische R 1100 R-Fahrerin und fügt hinzu, "gemeinsame
Touren mit Freund oder Mann sind so fast unmöglich, wie sollen Frauen
da überhaupt auf den Geschmack kommen."
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BMW R1100S Fahrerin Yayoi Furukawa
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Und Yayoi Furukawa, 29, ergänzt:
"Bei uns werden Motorradfahrer immer
noch schief angeguckt. Das Klischee vom Halbstarken und Rocker sitzt bei
vielen Leuten tief. Bei mir zu Hause kenne ich keine Frau, die Motorrad
fährt, nur hier treffe ich welche. Die Atmosphäre beim Fan Fastival
ist wunderschön, es ist wie bei einer großen Familienfeier. Ich selbst
habe beim Motorradfahren aber noch keine Probleme gehabt, eine Frau auf
einer BMW R1100S ist schliesslich ja was ganz Besonderes", lässt
sie stolz wissen.
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Motorrad fahren im verstopften Tokio ist reine Nervensache. Hinten
anstellen macht keiner, ein akrobatischer Seiltanz bleibt das
Durchgeschlängele aber trotzdem. Vorzugsweise sind es japanische Roller
und Motorräder bis 250 ccm, die man in der 27 Millionen Metropole
sieht. Hiervon sind im Land immerhin gut 13 Millionen registriert. Auf
diesen Flitzern ist eigentlich jeder unterwegs, für die Japaner sind sie ganz
gewöhnliche Gebrauchsfahrzeuge. Eine BMW dagegen ist selten und
dementsprechend exklusiv. Beim Stopp werden einem Löcher in den Bauch
gefragt: wie schwer, wieviel PS, wie schnell, wie teuer und ganz
wichtig, woher man kommt?
BMW-Chef Dr. Geduhn zeigt uns kleine und große
Händler, BMW-Vertretungen, Oldtimerläden und im Stadtteil Ueno die
"Motorcycle
City". Über 120 winzige Läden reihen sich im Straßenzug
aneinander.
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In Japan gibt es mehr als 10.000
Motorrad-Fachgeschäfte, die letztes Jahr zusammen 245.000 Maschinen
über 125 ccm verkauft haben", lässt der fließend japanisch
sprechende BMW-Manager wissen. "Das klassische japanische
Motorradgeschäft ist ein Familienbetrieb, wo Honda, Yamaha, Suzuki und
Kawasaki und oft noch andere Marken unter einem Dach verkauft werden.
Von diesen Gemischtläden will BMW weg. Letztes Jahr haben wir 2150
Maschinen über 80 Händler, wovon inzwischen 33 exklusive Partner sind,
absetzen können. Die reinen BMW-Geschäfte sind großteils innen wie außen genau nach unserer Corporate Identity gestaltet. Hiermit
erreichen wir die vom japanischen Kunden gewünschte und erwartete
Exklusivität. Viele unserer Händler engagieren sich weit über das
normale Soll hinaus und veranstalten Parties oder Wochenendtouren für
ihre Kunden. Hiermit erreichen sie ein
kameradschaftlich-freundschaftliches Verhältnis, was gerade unter den
japanischen BMW-Fahrern enorm gut ankommt."
Zu den ganz großen Händlern im Land gehört
Marutomi Auto Hambai in Yokohama. Firmenchef Nagata-san (san jap. Herr)
ist mit Leib und Seele Motorradmann, er verkauft alle vier japanischen
Marken, die Importfahrzeuge von BMW, Harley-Davidson und Buell aber in
separaten Gebäuden. |
Nagata-san und Dr. Geduhn-san
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Und das mit Erfolg, gut 10.000 (!) Fahrzeuge bringt er pro Jahr unters
Volk. "Das sind aber leider nicht alles BMWs", verrät der
Multi-Dealer schmunzelnd. "Die Zahl setzt sich aus gut 4000
Gebrauchtfahrzeugen und 6000 Neufahrzeugen zusammen, wovon wiederum 80%
des Umsatzes Mopeds und 50er Roller ausmachen. Unsere BMW-Kundschaft ist
technisch interessiert und gut informiert, immerhin kostet eine BMW zur
vergleichbaren japanischen Maschine gut 50 Prozent mehr. Doch bevor sie
etwas kaufen, lesen sie Fachzeitschriften, vergleichen Testberichte und
studieren ausgiebig Motorradkataloge, es gibt immerhin fast 30 exzellent
gemachte Magazine bei uns, die Leute wissen echt gut Bescheid."
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Bei der Boxer-Rally
(Foto: Schermer) |
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Welchen Stellenwert
"Made in Germany" im Land
der "Big Four" genießt, erlebe ich bei einer zweiten
Veranstaltung. Zur "Boxer-Rally", ein BMW
Klassiker-Jahrestreffen südlich von Hamamatsu, sind über fünfzig
Teilnehmer mit picobello restaurierten Schwingenmodellen gekommen. Die
Fahrer tragen Wachscotton-Jacken und Halbschalenhelme, genau wie
früher. Sie sind per Achse angerollt, einer hat über 400 km
Fahrstrecke hinter sich gebracht. Viele Maschinen stehen wie neu da, die
besten Exemplare haben einen Wert von 60.000 Mark, Wimpel, Aufkleber und
Plaketten zeigen die Liebe zum deutschen Detail.
Wir reden Benzin, beantworten Fragen über Deutschland und wie man bei
uns Motorrad fährt. Sanada Terufumi zeigt ein Bild von seinem
BMW-Gespann und erzählt, dass in der PS-Ausgabe 5/1978 genau über
diese Maschine ein Bericht erschienen ist. Er kenne und sammelt alles
über BMW, nur diese Zeitung fehlt in seinem Archiv. Für mich ist es
selbstverständlich, ihm diese Ausgabe zu besorgen.
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Mit Franz Schermer beim Abendessen
(Foto: Ando-san)
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... und wo fahren wir jetzt hin? |
Es wird ein langer Tag, tief beeindruckt über das enorme Wissen und die
große Begeisterung für die deutschen Maschinen fahren wir über die
mautpflichtige Autobahn nach Hause.
Zum Glück gibt es aber auch genügend wunderschöne Land- und
Nebenstraßen, die zum Teil an den Schwarzwald erinnern und in der Regel
sind sie sogar gebührenfrei. Das Tempolimit liegt bei 60 km/h, oft aber
bei 50 km/h oder 40 km/h. Nun aber gleich die gute Nachricht: es hält
sich keiner dran und auch auf der Autobahn lassen die Biker es richtig
krachen. Auch kein Wunder, geblitzt wird von vorne und die Polizei
drückt eh beide Augen zu.
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"Sayonara!"
(Auf Wiedersehen)
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